Weimarer Republik

Die frühe Zeit der Republik

Anfang November wollte die Admiralität die deutsche Flotte in eine letzte Schlacht füh­ren. Doch die Matrosen wollten sich nicht verheizen lassen. Von Kiel her sprang der revolutionäre Funke auf andere Hafenstädte und dann auf das Inland über. Der Kaiser und die Landesfürsten traten zurück, gingen ins Exil. Am 9. November 1918 rief der Sozial­demokrat Philipp Scheidemann die Republik aus. Die Exekutive wurde vielerorts von den rasch entstehenden Arbeiter- und Soldaten­räten übernommen. Viele Sozialdemokraten übernahmen in den Räten verantwortliche Posten, um ein Chaos zu verhindern. Auch in Barop kam es zu Unruhen und zur Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates. Das Denkmal Kaiser Wilhelms wurde von seinem Sockel geholt. Der Arbeiter- und Sol­datenrat musste die Aufgaben der bisherigen Staatsmacht, die sich verflüchtigt hatte, über­nehmen. Fritz Pohlmann amtierte nun als Obmann des Rates und arbeitete eng mit der Partei zusammen. Die Entwicklungen über­stürzten sich. Im Dezember beschloß man, neben einer allgemeinen Volksversammlung auch eine spezielle Frauenversammlung durchzuführen, denn nun erhielten auch die Frauen das Wahlrecht. Laufend musste die Verwaltungs- und Parteiarbeit mit den über­geordneten Gremien abgestimmt werden. Die Sitzungen jagten sich: Filialleiterkonferenzen, Tagungen des Stadt- und Bezirks-Arbeiter-und Soldatenrates, Kommissionen, Kommis­sionen, Kommissionen… Dazu musste noch die Versorgung gesichert werden. Der Ver- einsvorstand war durch seine vielfältigen Aufgaben so überlastet, dass er den Bezirks­führern empfahl, die Parteiagitation mit eini­gen Genossen selbständig zu organisieren. Kurzfristig mussten dazu noch die Wahlen zur Nationalversammlung von Weimar arrangiert werden. Nicht nur die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl konnte organisiert werden, man richtete sogar noch einen eige­nen Schlepperdienst ein. Und wie modern: Selbst für den Wagentransport von Kranken an die Urnen wurde gesorgt. Die neuen Zeiten belebten das Parteileben ungemein. Das Jahr 1919 sollte eines der lebhaftesten in der Geschichte des Ortsver­eins werden. Am 2. März 1919 fanden dann auch Gemein­deratswahlen statt. Das Dreiklassenwahlrecht war nun passe. 18 Gemeinderäte wurden unmittelbar gewählt, darunter befand sich auch eine Frau. Die Namen der meisten Ge­wählten sind auch für den Leser des Proto­kollbuch des Ortsvereins keine unbekannten. Der Genösse Friedrich Grote wurde Gemein­devorsteher. Und musste man sich früher jah­relang über die willkürlichen Entscheidungen eines kaiserlichen Amtmannes ärgern, so wurde nun das Amt mit dem Genossen Karl Wenk besetzt. Als Beigeordneter und stell­vertretender Amtmann bewährte sich der Genösse Julius Rost. Nach einer langen Zeit der Untätigkeit und der kurzen Zeit überschäumender Aktivitäten war es nötig, erst einmal wieder zu einem geordneten Vereinsleben zurückzukehren. Im März führte man Vorstandswahlen durch. Als Filialleiter wurde Georg Giebeler wiederge­wählt. Als Tagungsort wurde die Wirtschaft Bergmann beibehalten. Nun wurde ein drei­köpfiger Jugendausschuss aus den Genossen Linke, Tolges und Eickhoff eingerichtet. Der befaßte sich sofort wieder mit einem alten Thema, nämlich dem Verhältnis zu Religion und Schule. Linke referierte sofort über das Thema “Welche Religion brauchen wir für unsere Schule”. Wie eng die Partei mit dem Arbeiter- und Soldatenrat verquickt war, zeigt, dass vor der Mitgliederversammlung ein Tä­tigkeitsbericht des Rates abgeben werden musste. Aber auch die Versorgungslage war Parteithema. Es wurde eine zwanzigköpfige Kommission zur Kontrolle der Pflanzkartof­feln eingerichtet. Einen Monat später berief man sogar Milchkontrolleure. Warum Ordner für Sitzungen notwendig waren, wurde nicht mitgeteilt. Es läßt wohl darauf schließen, dass es auf mancher Versammlung hoch herging. Der 1. Mai war nun nach langen Kämpfen offizieller Feiertag geworden und wurde fest­lich begangen. Zusammen mit den Genos­sen aus Eichlinghofen, Menglinghausen und Persebeck zog man im feierlichen Festzug zum Hombrucher Markt, dann feierte man kräftig in den Eichlinghofer Parteilokalen. Inzwischen war die Zahl der Parteimitglieder wohl erheblich über 200 angestiegen, denn zu einer Generalversammlung des Bezirks konnte man drei Delegierte entsenden. Aber man musste nun auch andere Entwick­lungen zur Kenntnis nehmen. Im Mai hieß das monatliche Referat “Kommunismus oder So­zialismus”. Der Arbeiter- und Soldatenrat dümpelte noch immer neben dem Gemein­derat vor sich hin. Die beiden dafür freige­stellten Genossen erhielten den Auftrag, sich nun um den Abbau dieses Gremiums zu küm­mern. Bei der prekären Lage auf dem Lebens­mittelmarkt war die Tätigkeit der Lebensmit­telkommission ein stetes Thema. Nicht alle fühlten sich gerecht behandelt, und die Dis­kussionen waren oft sehr aufgeregt. Es gab aber auch Dinge, die ein Jahr zuvor zur Kaiserzeit noch unmöglich gewesen wä­ren. So wurde über die Mitgliedschaft eines Genossen Polizei-Wachtmeisters heftig ge­stritten. Ein Polizist als Genosse, wer hätte das gedacht! Zur Dauerfrage entwickelte sich das Thema über die Beziehungen von Jugend, Religion und Schule. Man hatte sie gesehen, die Ver­quickung der Kirchen mit dem alten Staats­system; hatte gesehen, wie die Kirchen die Waffen segneten. Im Mai forderten die Ge­nossen eine öffentliche Volksversammlung -Gegenstand “Welche Religion gebrauchen wir in der Schule?” Im August referierte Ge­nösse Linke über die Befreiung der Kinder vom Religionsunterricht. Nach einem Vortrag des Genossen Klupsch über das Erfurter Pro­gramm entspann sich eine “rege Diskussion” zwischen den Genossen Häusgen und Linke über Religion und Schule. Einen endgültigen Höhepunkt in dieser Ent­wicklung brachte der Januar 1920. Der Ge­nösse Kamp rief die Genossen, die der Kir­che bereits den Rücken gekehrt hatten oder dieses erwogen, dazu auf, am 11. Januar zu einer Versammlung zwecks Gründung einer freireligiösen Gemeinde zu erscheinen. Die daraus entstehende Gemeinde entwickelte sich bald zu einer freigeistigen Gemeinschaft, die noch heute unter dem Namen Humanisti­scher Verband existiert. Die von der Partei nominierten Elternbeiräte und Mitglieder die­ser Gemeinschaft setzten nach langen schweren Kämpfen die Einrichtungen von “Freien Schulen” durch. Die Anteilnahme der Parteimitglieder am po­litischen Leben der Gemeinde spiegelte sich auch in dem BeSchluss wider, die Gemein- devertreter hätten jedes Vierteljahr über die Gemeinderatssitzungen Bericht zu erstatten. Wichtige Fragen hatten sogar sofort in die nächsten Filialversammlung eingebracht zu werden. Eine wesentliche Entscheidung brachte die SPD-Fraktion im November 1919 durch. Das Bergmannsche Lokal, Tagungsort der Sozi­aldemokraten, wurde von der Gemeinde auf­gekauft. Später wurde daraus das Parkhaus Barop. Zwei wichtige Seiten im Protokollbuch fehlen leider. Sie wurden offensichtlich herausgeris­sen. Warum? Wir wissen es nicht. Es waren aber turbulente Zeiten, und manches, was gemacht wurde, konnte damals und auch später gefährliche Auswirkungen haben. Im März 1920 putschten in Berlin rechtsgerich­tete Kräfte gegen die Regierung, welche mit knapper Not entkommen konnte. Durch ei­nen Generalstreik konnten die Putschisten erfolgreich in die Knie gezwungen werden. Aber einige Tage stand das Schicksal der Republik auf des Messers Schneide. Die bis dahin verborgenen Waffen tauchten aus den Verstecken auf. Und in Barop zeigte sich, dass auch Sozialdemokraten zum Kampf bereit waren. Die Waffen waren bei Höfing verbor­gen und wurden dort während der Putschta­ge ausgegeben. Wieweit sich auch Baroper Sozialdemokraten an den folgenden Kämp­fen zwischen Reichswehrverbänden und Ruhr-Armee beteiligten, ist nicht bekannt. Was die Genossinnen und Genossen aber neben der Reichspolitik oft viel stärker beweg­te, war die Butter auf dem Brot – die gab es nämlich nicht. Kartoffeln, immer wieder Kartoffeln und besonders ihre gerechte Ver­teilung waren ihr Thema. Als Amtmann Wenk im November 1920 anregte, die fünf Gemein­den des Amtes Barop zu einer Gemeinde zusammenzufassen, wurde nach kurzer Dis­kussion einstimmig über den Antrag entschie­den. Zum folgenden Tagesordnungspunkt Kartoffellieferungen meldeten sich 27 Perso­nen zu Wort. Die große Gemeinde Barop entstand dann ein Jahr später. Der neue Gemeinderat kon­stituierte sich am 6. Dezember 1921. Er hat­te nur zwei Fraktionen: SPD und vereinigte Bürgerliche. Doch damit eilen wir bereits der Zeit voraus. Die Frauen stellten innerhalb der Partei eine Minderheit dar. Um ihre spezifischen Proble­me besser behandeln zu können, sollten sich Frauengruppen bilden. Im Mai 1921 ent- schloß man sich auch in Barop dazu. Den einleitenden Vortrag hielt … ein Mann: Adam Essinger referierte über “die Tätigkeit der Frauen im politischen Leben und die Aufklä­rung der Frauen”. Entsprechend aufgeklärt schritt frau zur Wahl der Frauengruppenleitung. Frau Lemke wurde zur ersten Leiterin bestimmt. (Auffallend ist, dass Genossen im­mer nur einfache Genossen sind, Genossin­nen aber immer Frau Genossin.) In diesem Jahr entschloß man sich noch zu einer wei­teren Gründung. Durch die wirtschaftliche Situation hatte die Partei sich immer mehr um Wohlfahrtsfragen kümmern müssen. Dieser Tätigkeit sollte sich ein eigener Ausschuss widmen. Im August wurden die Mitglieder des Ortsausschusses für Arbeiterwohlfahrt gewählt. Für die Arbeiterwohlfahrt war wohl auch die Nähmaschine gedacht, für die man im Dezember 855 M bewilligte. Die Beitragser­höhungen und immer höheren Bewilligungs­beträge lassen Schlüsse darauf zu, wie sich der Wert des Geldes entwickelte: abwärts!

Besetzt

Kam man in den ersten Jahren der Republik der Chronistenpflicht weitgehend kontinuier­lich nach, setzt für die folgenden drei Jahre wieder jegliche Berichterstattung aus. Für die Jahre 1923 und 1924 gibt es dafür einen ein­leuchtenden Grund. Man war wieder einmal nicht Herr im eigenen Haus. Anfang 1923 besetzten französische und belgische Trup­pen das Ruhrgebiet, um Kriegsschulden ein­zutreiben. Militärischer Widerstand war nicht möglich, also rief man zum passiven Wider­stand auf. Generalstreik! Es sollten keine Kohlen gefördert werden und keine Züge rol­len. Die Verwaltungen verweigerten die Zu­sammenarbeit mit den Besatzern. Unter die­sen Umständen war ein normales politisches Leben nicht mehr möglich. Die eigenen Akti­vitäten, die sich gegen die Besatzer richte­ten, zu dokumentieren war nicht empfehlens­wert. In Barop hielt man sich natürlich auch an den Aufruf der Reichsregierung zum pas­siven Widerstand. An die Spitze stellte sich mit Amtmann Wenk ein Sozialdemokrat. Den Besatzungsbehörden gefiel das überhaupt nicht. Wenk musste in das unbesetzte Gebiet flüchten. Er kam im Kinderheim des Kreises Horde in Pivitsheide unter, wo er auf andere geflüchtete Genossen traf, darunter den Landrat Wilhelm Hansmann. Doch der Widerstand funktionierte auch so. Wehe, es versuchte jemand, den Streik zu unterlaufen! Ein Steiger, der glaubte, ande­rer Meinung sein zu können, wurde von er­bosten Bergleuten die Treppe hinab gewor­fen. Einen guten Teil ihrer Zeit waren die Genos­sinnen und Genossen damit beschäftigt, Geld auszugeben, und zwar Millionen- und Milliar­denbeträge. Die Reichsregierung finanzierte den passiven Widerstand über die Drucker­presse. Wer sein Geld nicht schnell genug ausgab, den bestrafte die Inflation, eine ga­loppierenden Inflation. Selbst der einfachste Arbeiter wurde nun zum Milliardär, aber ein Milliardär, der hungerte.

Jahre der Stabilität

Erst mit dem Abzug der Besatzungsmächte geriet das politische Leben wieder in ruhige­re Bahnen. Endlich konnte von neuem ein geordnetes Parteileben stattfinden. Zum Jah­resbeginn zählte man die Mitgliedschaft: 236 Männer und 111 Frauen gehörten zur Partei. Bei dieser Anzahl war der Versammlungsbe­such aber relativ schlecht. Im März 1925 konnte man schließlich alle notwendigen Wahlen durchführen. Julius Rost, der stell­vertretende Amtmann, löste Georg Giebeler im Filialvorsitz ab. Jugend- , Bildungs- und Ortsausschuss der AWO sowie das Agitations­komitee wurden neu besetzt. Inzwischen hat­te man auch eine Fahne angeschafft, denn nun wurden auch Bannerträger ausgewählt und bald darauf ein Tragegurt bewilligt. Es begann aber auch eine Zeit, wo mehr als nur Flagge gezeigt werden musste. Bei den im Herbst 1925 anstehenden Provinzial- und Kreistagswahlen forderte man die Genossen erstmalig nachdrücklich zur intensiven Wahl­kampfarbeit auf, weil rechtsstehende Kräfte nun in die Parlamente drängten. Der Mitgliederbestand ging 1925 geringfügig zurück. Die Zahl der männlichen Mitglieder nahm ab, während bei den Frauen ein Zuge-winn zu verbuchen war. 219 Männer und 122 Frauen besaßen am Jahresende in Barop ein SPD-Parteibuch. Der Vorstand trug dieser Entwicklung Rechnung und überliesß es der Frauengruppe, den oder die zweite Delegierte für die Dortmunder Generalversammlung zu bestimmen. Auch auf der kulturellen Ebene zeigte man deutlich, welcher Weltanschauung man sich zugehörig fühlte. Die freie-weltliche Schule hatte man durchgesetzt. Setzten kirchliche Feiern bei den konfessionellen Schulen den Schlusspunkt im schulischen Leben, so soll­ten auch die kirchenfreien Schüler/innen nicht einfach in das Berufsleben entlassen werden. Der Elternbeirat wurde beauftragt, zusammen mit der Lehrerschaft und dem Freidenkerver­ein eine Entlassungsfeier zu organisieren. Was für den evangelischen Schüler die Kon­firmation war, das war für den weltlichen Schüler die Jugendweihe. War man auch bereit, mit anderen Organisa­tionen in vielen Fragen zusammenzuarbeiten, mit der politischen Konkurrenz setzte man sich nicht an einen Tisch. Als Anfang 1926 im Reich über Abfindungen für die 1918 ent­machteten Fürstenhäuser diskutiert wurde, schlug die örtliche KPD eine gemeinsame Sitzung der Parteien vor. Dies wurde abge­lehnt, obwohl beide Parteien den Volksent­scheid zur Fürstenenteignung trugen.. Sozialdemokratie, das bedeutete in diesen Jahren nicht nur Parteiarbeit, das war ein Lebensstil. Die Kinder wurden von den Kin­derfreunden betreut, die Jugendlichen sam­melten Gruppenerfahrungen bei den Falken und in der Sozialistischen Arbeiterjugend. Man lernte die Kunstsprache bei den Arbei­ter-Esperantisten, trieb Sport im Arbeiter-Sportverein, sang im Arbeiter-Sängerbund und spielte Theater bei der Freien Volksbüh­ne. Die AWO leistete Sozialarbeit und die Arbeiter-Samariter stellten bei Veranstaltun­gen den Sanitätsdienst. Gefeiert wurden im März die Opfer der 48er Revolution, am Mai­feiertag zeigte man seine Solidarität mit der Arbeiterschaft, im Sommer wurden gemein­same Ausflüge gemacht, und im November feierte man die Entstehung der Republik. Um die immer aggressiver auftretenden Feinde der Republik in ihre Schranken weisen zu können, schlössen sich die Männer dem Wehrverband “Reichsbanner” an. Barops Sozialdemokraten zeigten sich dabei immer bereit, in ihre Zukunft zu investieren. Die Jugendlichen fanden immer wieder die Unterstützung der älteren Parteimitglieder, und mancher Unterstützungsbetrag floß aus der Parteikasse, wenn es darum ging, Spiele und Geräte anzuschaffen oder Delegierte zu Jugendtagen zu schicken. 1926 kam es wieder zu einem Wechsel im Vorsitz des Vereins; Filialleiter wurde der Genösse Poppensieker, der bis dahin 1. Schriftführer war. Sein Nachfolger im Schrift­führeramt nahm dieses wohl weniger ernst, denn erst ein Jahr später ließ er sich zu ei­nem 6-Zeilen-Protokoll verleiten. Langsam ging man dazu über, nur noch quartalsweise zu tagen. Die Genossen im Bildungsausschuss zeigten sich durchaus auf der Höhe der Zeit, und dass sie neuen technischen Entwicklungen gegen­über nicht abgeneigt waren. So referierte Genösse Häusgen auf der Filialversammlung im September 1927 über “Bildungswesen und Radio”. Der SAJ spendierte man gegen Ende des Jahres einen Zuschuss für einen eigenen Filmprojektor. Das Jahr 1928 verlangte den Genossen wie­der einmal recht viel organisatorische Arbeit ab. Die Ziele der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde fanden auch unter Baroper Sozialdemokraten Anhänger und Mitarbeiter. Die Partei bildete für den Amtsbezirk eine vier­köpfige Kommission. Das Reichsjugendtref­fen der SAJ sollte im Sommer in Dortmund stattfinden. Bereits im Februar richtete man eine Arbeitsgruppe zur Quartierbeschaffung ein. Das Frühjahr stand aber ansonsten ganz im Zeichen des Reichstagswahlkampfes. Nach jahrelanger Opposition hatte die SPD auf Reichsebene eine realistische Chance, wieder Regierungsverantwortung überneh­men zu können. Das Engagement der Ge­nossen zahlte sich aus. Nach den Wahlen konnte ein Kabinett unter sozialdemokrati­schem Vorsitz gebildet werden. Das Dortmun­der Ergebnis lag dabei weit über dem Reichs­durchschnitt. Dabei waren die Zugewinne hauptsächlich in den Vororten und umliegen­den Gemeinden erzielt worden. Barop als alte SPD-Hochburg hatte seinen Teil dazu beige­tragen. Indessen gab es zwischen den Genossen in Dortmund und den umliegenden Gemeinden erhebliche Differenzen. Im Zuge der kommu­nalen Neugliederung des Ruhrgebiets sollten die Stadt und der Landkreis Horde nach Dort­mund eingemeindet werden. Während dies von den Dortmunder Sozialdemokraten be­fürwortet wurde, stieß es in den Ortschaften, die um ihr politisches Mitspracherecht fürch­ten mussten, oft auf erheblichen Widerspruch. Ohne Erfolg, die Eingemeindung Hördes wurden bereits 1928 durchgeführt, 1929 soll­ten die Gemeinden des Landkreises folgen. Neben der Arbeit verstand man auch zu fei­ern. Im Juli beteiligte man sich am Fest des “Reichsbanners”, das von der Frauengruppe eine Fahnenschleife erhielt. Der August brachte das große SAJ-Treffen. Im Oktober beteiligte man sich an der schon traditionel­len Werbe- und Agitationswoche, und im November gedachte man auf der Revoluti­onsfeier für 1918 auch gleichzeitig des 50 Jahre zurückliegenden Erlasses des “Sozia­listengesetzes”. Neben den politischen Erfolgen stand eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situa­tion, die von der Großindustrie rücksichtslos verschärft wurde. Auch viele Genossen wa­ren davon betroffen. In einer Bergarbeiter­gemeinde wie Barop hatten besonders die vielen Invaliden hart zu kämpfen. Um ihnen den Bezug der Parteipresse zu ermöglichen, beantragte man für diese ermäßigte Preise. Die Filialversammlung im Dezember brachte wieder einmal eine Änderung im Vorsitz. Ge­org Giebeler übernahm wieder die Filiallei­tung. Ansonsten zeigte man personelle Kon­tinuität. Fast alle Kommissionen wurden wie­dergewählt. Recht ungalant zeigten sich die Herren gegenüber den Damen. Der Antrag der Frauengruppe, bei den Beerdigungen von Genossinnen ebenfalls einen Kranz mitzu­nehmen, wurde abgelehnt. Doch nicht nur örtliche Angelegenheiten stan­den im Blickfeld der Genossen, sondern auch Fragen der Reichspolitik. Die sozialdemokra­tischen Regierungmitglieder zeigten sich be­reit, Gelder zum Bau von Panzerkreuzern bereitzustellen; dies, obwohl man den Wahl­kampf unter dem Slogan “Kinderspeisung statt Panzerkreuzer” geführt hatte. Die “Panzerkreuzerdebatte” beherrschte monate­lang die innerparteiliche Diskussion. Insbe­sondere die Parteijugend zeigte sich recht aufmüpfig. Auch in Barop floß das Thema “Panzerkreuzer” immer wieder in die Debat­ten des Ortsvereins ein. Die Haltung der So­zialdemokratie zur Wehrfrage war im März 1929 sogar das Hauptthema der Filialversammlung. Das Jahr 1929 brachte manche Änderungen, Umstellungen und auch Rückschläge. Eingemeindet Einen gewaltigen Einschnitt brachte die Nacht zum 1. April. War man als Bürger der Gemein­de Barop eingeschlafen, so erwachte man als Bürger der Stadt Groß-Dortmund. Barop war nur noch ein Vorort. Entscheidungen fielen nun im Dortmunder Stadtparlament. Es kri­selte; auch in der Partei. Bei einem Treffen von Funktionären des Dortmunder Vorstan­des und Vertretern der Eingemeindeten im Sommer fielen harte Worte. Für die Ende des Jahres anstehenden Kommunalwahlen für Groß-Dortmund wurden aus Barop die Ge­nossen Wenk und Häusgen vorgeschlagen. Es wurde festgestellt, dass durch die Einge­meindung bei vielen Mitgliedern und Funk­tionären die Arbeitsfreudigkeit gelitten hatte. Auch im Ortsverein kriselte es. Die Frauen­gruppe verweigerte die Teilnahme an der Mai-Demonstration. Die Jugendgruppe verlangte mehr Einfluß im Ortsvereinsvorstand, und man sah sich dazu veranlaßt, darauf hinzu­weisen, dass nicht immer neue Vereine ge­gründet werden sollten, denn beim Arbeiter­sport machte sich Zersplitterung breit. Die Parteipresse verlor in Barop mehr als die Hälfte ihrer Abonnenten. Immerhin gelang es, die Ortsgruppe der “Kinderfreunde” besser an die Partei anzubinden. So konnten im Som­mer auch Baroper Kinder in die “Kinder­republik” nach Andernach fahren und in dem Zeltlager ihre Sommerferien verbringen. Mit der Eintragung des Protokolls der Filialsitzung vom 29. September 1929 war das 1903 begonnene Protokollbuch gefüllt. Was danach im Ortsverein geschah, ist nicht mehr schriftlich überliefert. Es lassen sich nur Ver­mutungen anstellen. Man hat wohl ein neues Protokollbuch angelegt, das während der NS-Zeit beschlagnahmt wurde und verloren ging. Das alte Protokollbuch überdauerte, weil es versteckt wurde und die Nazis nicht vermute­ten, dass es noch existierte. So können wir über die folgenden Jahre mehr vermuten als berichten. Im Oktober 1929 kam es zu einem Kurssturz an der New Yorker Börse, der eine Wirt­schaftskrise auslöste, welche in den folgen­den Jahren die gesamte Weltwirtschaft erfaß­te. Firmen wurden geschlossen, Arbeiter ent­lassen. In Deutschland stieg die Arbeitslosig­keit sprunghaft an. Das sollte auch politische Auswirkungen haben.

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